In meinem Gespräch mit dem Geschäftsführer Martin Rave habe ich nicht nur viel über die Bedeutung der Kartoffelanzucht erfahren, wir haben auch über Probleme und Sorgen in den Kartoffelzuchtbetrieben gesprochen. In Freiburg wird hauptsächlich Erhaltungszüchtung betrieben, beginnend in einem hochmodernen Gewächshaus, welches nur von ausgewählten Personen betreten werden darf und auch dann nur unter sehr hohen Hygienevorschriften. Denn hier entsteht der Ursprung der künftigen Pflanz- und Speisekartoffeln – die Mutterknollen. Durch hohe Hygienestandards wird der Eintrag von Kartoffelkrankheiten und Schädlingen minimiert. Hier werden auch Neuzüchtungen angepflanzt, ausgelegt auf Resistenzzüchtungen, um künftig noch weniger Insektizide und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz bringen zu müssen. Diese Neuzüchtungen von resistenten Sorten sind jedoch auf mehrere Jahre ausgelegt – 10 Jahre müssen vorausgedacht werden, die wichtigsten Zuchtziele werden bereits zu Beginn festgelegt. Hier schilderte Herr Rave das große Problem. Durch die bereits erfolgten Reduktionen von Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden sind nun Kartoffelkrankheiten auf dem Vormarsch in Deutschland, die es früher nur in anderen Ländern gab – und die sich hier nun auch in Deutschland, auch aufgrund der klimatischen Veränderungen, ausbreiten. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Krankheiten, die durch Zikaden auf Kartoffeln, die durch Wassermangel bereits geschwächt sind, übertragen werden wodurch in der Abwehrreaktion der Kartoffel die Zuckerwerte steigen und dadurch beispielsweise bei der Weiterverarbeitung zu Chips oder Pommes frites Akrylamide entstehen können. Durch den Verlust von anwendbaren Insektiziden können Zikaden nicht bekämpft werden. Um die Kartoffeln resistenter zu machen, hat die Züchtung von trockenheitsresistente Sorten einen großen Stellenwert. Ein wichtiges Ziel in der Pflanzgutproduktion ist weiterhin der Erhalt der Kartoffelgesundheit bis hin zum Endverbraucher.
Die Kartoffelzuchtstation in Freiburg/Elbe liegt in einer sogenannten Gesundlage: eine exponierte Lage in Nordseenähe. Hier kommt die Hauptwindrichtung aus Nordwest, dadurch gibt es hier z.B. weniger Blattlausinfektionen. Blattläuse gelten als Virusüberträger und diese können nun durch den Einsatz von Paraffinöl in Kombination mit einem engmaschigen Blattlausmonitoring in Kooperation mit der LWK Niedersachsen bekämpft werden. Einzigartig in Deutschland ist, dass neben der Zuchtstation kein weiterer Kartoffelanbau in der Region stattfindet und dadurch das Risiko der Krankheitsübertragungen erheblich minimiert und auch die Anwendung von Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln kann dadurch auf ein Mindestmaß reduziert werden kann. Hier nehme ich aus dem Gespräch mit Herrn Rave mit, dass eine Gesundlagenverordnung für die Region des Kehdinger Außendeichs notwendig und wünschenswert ist, damit diese Standortvorteile weiterhin erhalten bleiben.
Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden ist laut Herrn Rave absolut richtig und wichtig, verursacht aber auch andere Probleme, die betrachtet werden müssen. Durch das Fehlen von Herbiziden müssen Unkräuter beispielsweise mechanisch bekämpft werden, eine Angelegenheit, die auf schweren Böden sehr schwer umsetzbar ist, die Verbreitung von Krankheiten durch mechanische Beschädigung gefördert wird und gleichzeitig auch der Erosionsschutz durch die mechanische Bearbeitung in Frage gestellt wird. Zur Diskussion steht hier derzeit der Sustainable Use Regelation Vorschlag der EU-Kommission. Diese sieht die Einordnung von Schutzgebieten vor, in denen bis 2030 die Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes vorgeschrieben wird. Kartoffeln zählen jedoch zu pflanzenschutzintensiven Kulturen und insbesondere der Pflanzkartoffelbereich ist hier durch die geplante Verordnung betroffen, nahezu alle Erhaltungszuchtgebiete liegen in den Schutzgebieten, für die künftig weitreichende Verbote von Pflanzenschutzmitteln gelten würden. Um weiterhin eine sichere Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Kartoffel zu gewährleisten sei, dürfe es laut Herrn Rave keine weitere Verschärfung des bereits bestehenden sehr strengen Pflanzenschutzrechtes (wurde in Deutschland in 2021 überarbeitet) geben.
Einig sind Herr Rave und ich uns darin, dass man hier stetig im Dialog bleiben muss und alle Beteiligten gemeinsam eine Lösung für die unterschiedlichen Betrachtungen finden sollten. Hierzu arbeitet Herr Rave bereits am Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aktiv mit.